.print

Der letzte seiner Zunft - ein Küfer in Langen

Der hessische Apfelwein kommt heute aus Stahltanks – Holzfässer gibt es kaum noch in den Keltereien. So ist auch der Beruf des Küfers inzwischen fast ausgestorben. Willi Metzger heißt der letzte Mann in Langen, der das alte Handwerk beherrscht.

Ein kleines Fass steht auf der alten Werkbank. Sägen, Zangen und Messer hängen aufgereiht am Fenster. Ein alter Holzofen spendet ein wenig Wärme. Aus dem Werkzeugchaos greift Willi Metzger eine Schablone und legt sie auf das unfertige Fass. „Man muss genau messen, sonst wird’s schepp“, sagt der 63jährige in seinem hessischen Dialekt. Wenn es draußen richtig regne, dann ginge er in die Werkstatt, berichtet Metzger. Viel Volumen haben die kleinen Fässer nicht, die er produziert. Dafür sind sie kunstvoll verziert – mit lebendigen Szenen aus dem Langener Leben: Kelterei, Jagd, Wirtschaft. Die Kunstschnitzerei hat sich Willi Metzger selbst angeeignet. Sie macht jedes Fass zu einem Unikat, in dem viele Stunden Arbeit stecken. Für den Verkauf sind solche Stücke nicht bestimmt: „Das wäre nicht rentabel. Das könnten die Leute auch gar nicht bezahlen“, sagt Metzger.

Früher, da hat Willi Metzger an großen Fässern gearbeitet, die mehrere Tausend Liter fassten. Starke Burschen mussten die meterlangen Holzdarben in eine passende Form bringen. Seinen Beruf bekam Willi Metzger in die Wiege gelegt: „Mein Vater war Küfer und die Arbeit ist damals gut gegangen“, erzählt er. Schwielen hätte man an den Händen gehabt. „Das ist schwerer als Schmied zu sein“, erinnert er sich. Trotz aller Plackerei kann   Metzger heute nicht von dem Handwerk lassen, macht sogar Vorführungen für Neugierige. Denn Vieles ist in Vergessenheit geraten: Dass in Langen im großen Stil Likör oder Apfelwein produziert wurde, oder dass Leute wie Willi Metzger für eine Supermarktkette als Küfer angestellt waren. Insgesamt 16 Jahre lang stand er als Wein- und Holzküfer in Brot und Arbeit. Wegen Gesundheitsproblemen stieg er aus dem harten Job aus – und wurde Industrieelektroniker.  

Dass es um den Beruf des Küfers heute in der Tat schlecht steht, kann auch der Obermeister der Böttcher- und Weinküferinnung Mosel-Saar-Ruwer Walter Benzmüller bestätigen. „Da kann man nicht mehr davon leben“, gesteht er ein. Benzmüller schätzt die Zahl der Küferbetriebe in Deutschland auf etwa 20 bis 30. „Es ist einfach kein Nachwuchs da“, so der Handwerksmeister. In Bayern, dort würde es noch einen Lehrling geben. Benzmüller selbst hat seinen Betrieb in Mühlheim umgestellt. Er macht „Lohnabfüllung“, füllt nun im Weingebiet Flaschen ab. Andere Kollegen haben eine Mosterei zum Broterwerb. 

„Heute werden mehr frische Weine verkostet“, erklärt Küfermeister Benzmüller. Weine aus Eichenfässern seien aus Geschmacksgründen nicht mehr gefragt, außer vielleicht jene aus französischen Barrique-Fässern. Und: Moderne Keller seien oft zu trocken. Holzfässer würden dort kurzerhand schrumpfen - Gründe für viele Küfer vom Werkstoff Holz zu Stahl zu wechseln. „Einzelne Holzküfer werden trotzdem immer noch gebraucht“, so der Fachmann. Zur Reparatur, für Herings-Bottiche oder Blumenkübel. Leben könne man vom Küferdasein alleine heute nicht mehr. „Es sind alles mehr so Nostalgie – Aufträge“, verdeutlicht Benzmüller.

Zurück nach Langen. An der Hauswand von Willi Metzger steht noch in großen Lettern ‚Küferei’. Auf alten Schwarzweißbildern sieht man Dutzende von Fässern, die auf eine Reparatur bei Metzgers warteten. Heute ist es ein Zwanzigliterfass, dass in der kleinen Werkstatt entsteht. Mit einer selbstgebastelten Bohrmaschinen-Konstruktion schleift Metzger schließlich einen Rand für den Fassboden aus. „Früher hat man das mit einem Hobel gemacht“ erinnert er sich. Warme Hände seien wichtig. Ansonsten würde man nicht einmal merken, wenn der Finger ab sei, meint er ironisch. Rund eine Woche dauert es, bis ein Fass fertig ist. Besonders schwierig sei die Holzbeschaffung, meint Metzger – denn Eichenholz gäbe es nur noch selten.

Die großen Fässer aus den guten Zeiten des Küferberufes liegen heute versteckt in Metzgers Keller. „Die sind zum Teil hundert Jahre alt“, erklärt er. Man müsse sie nur immer gut lagern. Andere Langener haben schon lange ihre Fässer abgeschafft. Das hessische Nationalgetränk braucht kein Holz für die Geschmacksentwicklung. „Beim Apfelwein bringt das wenig“, sagt Metzger. Sein neues Fass ist für Calvados bestimmt, deshalb muss es später mit Soda behandelt werden – wegen der Inhaltsstoffe des Holzes. „Der Schnaps zieht die Giftstoffe aus dem Holz“, erklärt Metzger fachmännisch. Etwas nostalgisch wird es schließlich, wenn er kunstvoll mit einem Schlauch Kirschwein aus einem Fass in ein Glas kredenzt. „Das ist mein Gesellenstück“, meint er und es klingt so, als hätte er es gestern gemacht.