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"Zu uns kommt nie das Fernsehen"

Wie sportlicher Ehrgeiz auch ohne Geld und Medien gedeiht.

Wie an einer Schnur aufgereiht stehen die Kinder da. Jedes hält schüchtern ein Florett in der Hand. Von der Eleganz eines d’Artagnan ist ihr Fechtergruß zwar noch weit entfernt, aber ihr begeistertes Lächeln zeigt, dass ihnen der Sport mit der Klinge ungeheuer viel Spaß macht. “Ihr sollt nicht stechen, ihr sollt den Arm strecken”, ruft Julia Manowski mit bestimmtem Ton. Sie ist angehende Übungsleiterin in der Fechtabteilung des Turnvereins Langen. Die Kinder, die sie trainiert, sind blutige Anfänger. Es sind Schüler des örtlichen Gymnasiums, die die Gelegenheit haben während ihrer Projektwoche in den Kampfsport hineinzuschnuppern. Nicht ohne Hintergedanken hält Julia Manowski zusammen mit zwei Helfern die Horde von 17 Schülern und Schülerinnen der 5. Klasse im Zaum. „Für den Anfängerkurs im Verein suchen wir eine neue Gruppe“, erklärt sie.

Fechten gehört heute – im Gegensatz zu Zeiten als es schick war einen Degen oder gar ein Schwert zu tragen - zu den exotischen Sportarten. Kleine Vereine, wie der - Langener, haben es in Konkurrenz zu Rollerblades und Playstations nicht leicht Nachwuchs zu werben. „Man muss sich überall zeigen“, meint Wolfgang Dittmar, Vorsitzender der Fechtabteilung des Turnvereins Langen (TVL). Zweimal in der Woche scheppern bei ihm im Verein die Klingen und Jugendliche wie Erwachsene preschen über die Fechtbahn, während die elektronischen Melder bei jedem Treffer surren. Damit das Interesse am Fechten in der kleinen Stadt im Rhein-Main-Gebiet wach bleibt, beteiligen sich Dittmar und sein Verein an zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Die Fechter treten beim alljährlichen Straßenfest in voller Montur auf oder beteiligen sich mit einer Präsentation am Tag der Kultur. „Fechten hat einen Hauch von Exklusivität“, erklärt Dittmar. Er versichert, dass sich der Sport mit der Klinge für öffentliche Auftritte besonders eigne. Besonders erfolgreich war seiner Ansicht nach die Initiative zweier Fechttrainer, die im Nachmittagsprogramm einer Schule Fechten als Unterrichtsfach anboten.

Nora Sturm war damals als Schülerin mit von der Partie. Heute kann sie auf eine erfolgreiche sportliche Laufbahn zurückblicken. Ist ein Fechter einmal erfolgreich, dann heißt das noch lange nicht, dass Reichtum und Presserummel seine Karriere versüßen. Auf ihrem Tisch hat Nora Sturm zahlreiche Pokale aufgebaut. In einem Ordner liegen an den Bändern verknotet die Medaillen, stapeln sich die Urkunden. „Schöne Erinnerungen, das bleibt“, erklärt sie. Die angehende Jura-Studentin ging bis zu ihrem Abitur in das angesehene Bonner Fechtinternat und focht als Leistungssportlerin im deutschen C-Kader. „Vom Fechten kann man nicht leben“, sagt sie „selbst Profis haben Schwierigkeiten damit“

Das Leben als Leistungssportlerin ist trotz Förderung durch Sporthilfe und Kader nicht gerade billig. Ein Teil ihrer Schulgebühren mussten die Eltern begleichen. Die Fahrt zu den Turnieren, die Startgelder, der Aufenthalt in Hotels und die unzähligen zerbrochenen Degenklingen machen das Leben als Vollblut-Fechterin teuer. „Bei welchem Sport gibst Du schon 300 Mark im Monat aus?“, fragt sie. Bevor sie gefördert wurde, schlug Nora Sturm sich in gebrauchter Fechtkleidung durch oder ließ sich zu Weihnachten und zu Geburtstagen mit neuem Material beschenken. Warum sie fechtet? „Spaß“, erklärt sie und vielleicht sei auch Ehrgeiz mit dabei. Besonders wichtig ist ihr am Fechtsport, Menschen im Training oder auf Turnieren zu treffen, mit denen sie sich gut versteht und mit denen sie schöne Dinge erleben kann.

Bis in ein Fechtinternat und in den Sportkader ist es ein langer Weg. Finden sich unter den Anfängern der Langener Fechter besondere Talente, dann erhalten sie ein Extratraining - sogenannte Lektionen - und Turnierbetreuung von ihren Trainern. Die Talente trotz Freundin, trotz teurer Ausrüstung in der anspruchsvollen Fechtausbildung bei der Stange zu halten, daran misst sich der Erfolg eines Fechtvereines. Also müssen sich die Vereinsmitglieder immer wieder etwas besonderes ausdenken um ihre Schützlinge zu motivieren. Abteilungsleiter Dittmar hat sich eine Anwesenheitsliste ausgedacht. „Wer immer im Training gewesen ist, bekommt ein Geschenk“, erklärt er. Für besonders wichtig hält Dittmar den Gruppenzusammenhalt. Diesen fördert der Verein durch Kanuausflüge und Fahrradtouren, und die Fahrt zu Mehrkämpfen wie den mit dem Fünfkampf verwandten Friesenkampf.

“Wenn ich dazugehöre, dann gehe ich mit auf das Turnier“, sagt Dittmar. Damit die Fechtkarriere für jedermann erschwinglich ist, gibt es einen vereinseigenen Gebrauchtmarkt. Immer schärfere Sicherheitsregeln zwingen die Fechter, neue Klingen oder Kleidung aus Kevlar zu besorgen. „Wir reparieren unsere Sachen selbst, das senkt die Kosten“, meint Dittmar.

Trotz allen Engagements: Selbst bei großen sportlichen Erfolgen interessiert sich die Lokalpresse kaum von selbst für die Fechter. „Man muss der Presse etwas anbieten“, erklärt TVL Abteilungsleiter Dittmar. Als erfolgreiches Rezept haben sich die zahlreichen Pressemitteilungen des Vereines herausgestellt, die regelmäßig in Zeitungen erscheinen. Die Schwierigkeiten, die kleine Vereine haben, Medien anzusprechen, sind typisch für den Fechtsport insgesamt, Für jede Waffe – also Florett, Degen und Säbel - gibt es eigene Regeln über Treffflächen, Vorteilsbestimmungen bei Armhaltung und Schrittfolge. Da ist es kein Wunder, dass der Deutsche Fechterbund sogar spezielle Kurse für Journalisten in fechterischer Regelkunde anbietet. Um dieser Lage entgegenzusteuern und Sponsoren zu locken, versucht die Fechtgemeinde außerdem den schnellen Sport transparenter und interessanter zu machen. Medienwirksam wollten die Funktionäre zum Beispiel eine Maske mit durchsichtigen Plastikeinsätzen einführen und mit Hilfe von Sensoren kabelloses Fechten ermöglichen – bisher mit wenig Erfolg.

Gibt es wenig Presse, so hält sich das Sponsoring in Grenzen. Findet es überhaupt statt, so kommt es vor allem durch Kontakte von Mitgliedern und durch den Zusammenschluss der Werbetöpfe mehrerer Vereine zustande, wie TVL Abteilungsleiter Dittmar erzählt. So kommt demnächst ein Foto mit Fechtern in gesponserten Trainingsanzügen in die Zeitung. „Wir müssen den Sponsor überzeugen, dass wir besser sind als die Großen“, sagt er über seinen kleinen Erfolg.