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Mehr Schein als Wein

Für Geschichtsfreunde ein Muss, für Weinkenner ein Offenbarung. Das Kloster Eberbach bei Eltville bietet viel Authentisches und eine Prise Touristentheater.

Das Geheimnis des Klosters Eberbach schlummert hinter einem verrammelten Eisengitter. „Nein, ich kann ihnen nicht aufschließen, dazu habe ich keinen Schlüssel“, flüstert Martina Friedrich. Die Weinfachverkäuferin herrscht vielleicht über die Vinothek des Klosters, aber hier versagt ihre Autorität. An dem Gitter prangt der eherne Schriftzug ‚Schatzkammer’. Aber so sehr das Auge späht: vom Schatz ist nichts zu sehen. Ein moderiger, säuerlicher Geruch liegt in der Nase - Wein. Flaschen im Wert von Millionen Euro seien hier gelagert, schwärmt Martina Friedrich. Zweimal jährlich landen die Schätze der Hessischen  Staatsweingüter Kloster Eberbach, welche die einst klösterlichen Weinberge bewirtschaften, auf einer spektakulären Auktion. „Es gibt eine Schatzchronik, in der jede eingegangene und herausgegebene Flasche verzeichnet ist“, hallen die Worte von Friedrich. Hier im Hospitalkeller des Klosters verlieren sich die hohen Säulen im Dunkeln. Nur eine zechende Touristengruppe stört im fast sakralen Raum.

Zurück ins Diesseits schreitet Martina Friedrich durch schmale Lager voller Kästen. Im schickgestylten Weinverkauf des Klosters lehnt sie sich an ihrem angestammten Platz hinter der Theke: „Wir haben bis zu 200 Kunden an guten Tagen.“ Heute ist sie fast allein mit ihren kostbaren Tropfen. Nur ein französisches Pärchen schlendert an den Flaschen mit dem typischen Adler-Etikett vorbei. Manche Käufer kommen sogar aus Japan, um den Eberbacher Wein zu kosten. Auch Laien: „Einige können nicht einmal Riesling von Kabinett unterscheiden“, erzählt sie mit einem Lächeln und wendet sich einem Kunden zu. 

Draußen im Hof deutet Dr. Jens Jacob ein wenig stolz auf den Plan der Klosteranlage. Rechteckige Brille, rote Krawatte und Anzug – beim Geschäftsführenden Vorstand der Stiftung Kloster Eberbach, der die ehemalige Zisterzienserabtei heute gehört, erinnert nichts daran, dass er einmal Förster war. Er reckt seine Hand zur Zeichnung: „Hier sehen sie mustergültig den Bauplan eines Zisterzienserkloster.“ Bis auf den heutigen Tag sei das Bauensemble aus dem Mittelalter weitgehend erhalten, erklärt er. Basilika gen Osten, Dormitorium, Refektorium, Kreuzgang – ein Ort wie ein offenes Geschichtsbuch. Um Jacob herum sind Bauarbeiten im Gange. 1986 hat die Generalsanierung des Klosters begonnen, 2010 soll sie fertig sein. Bald werden die alten Mauern des Konversenbaus, des Hauses der über 100 Laienmönche, ebenso strahlen wie das Postkartenensemble der Basilika: Leuchtender Putz, hübsche Fensterchen und gestutzte Zierhecken.

Nach einigen Schritten über den Hof hat die Dunkelheit Jens Jacob fast verschluckt. Mächtige, dunkelbraune Traubenpressen stehlen dem ehemaligen Speisesaal der Laienbrüder das Licht. „Die Anlage ist ein großes Archiv abendländischer Geschichte“, deutet Jacob auf die alten Säulen, die von rostigen Haltern umklammert sind. An der Wand rankt ein Gewirr grauer pilzartiger Gewächse. „Keiner darf hier einfach den Putz von den Wänden schlagen. Der Charakter der Gebäude soll erhalten bleiben“, verdeutlicht er.   

Wo einst die Mönche dicht an dicht schliefen, lässt heute ein graubärtiger Touristenführer englische Wortfetzen schallen. Es fällt schwer, dem historischen Stakkato zu folgen: „Straw“. Auf Stroh hätten die Männer geschlafen erklärt er. Heute ist das Dormitorium ein kahler Säulenwald und Fensterscheiben versperren die Zugluft. Ein Besucher aus Offenbach schwärmt mit großen Augen: „Das ist ein Ort, den ich oft besuche.“ Er komme zwei bis dreimal im Jahr, früher sei er sogar monatlich hier gewesen. „Ich besuche Konzerte, genieße die Atmosphäre dieser Gebäude mit all ihrer Geschichte“, sagt er.

In der alten Klosterkirche sind die Gänge wie leergefegt. Abendlicht gleitet durch die hohen Glasfenster. Maria Wiedemann bewegt sich fast lautlos über die lautlos tappt die abgewetzten Bodenplatten: „Es ist eindrucksvoll, besonders abends“ Seit zwölf Jahren führt sie Besuchergruppen durch das Kloster. Es sei ein wunderschöner Ort voller Ruhe, sagt die Frau im grauen Anzug. In einer Stunde Führung könne sie als dies gar nicht vermitteln. „Viele Menschen kommen von Betriebs – und Vereinsausflügen. Manche wissen gar nicht, auf was sie sich eingelassen haben“ Dann wendet sie sich ab, schreitet genießerisch weiter durch die Basilika.

Schimmernd fließt der Riesling in die fingerhohen Gläser. „Das ist der Steigenberg. Wenn sie hinausgehen, können sie die Reben sehen – eine exzellente Lage.“, erklärt Jens Jacob. Nicht nur der Wein, auch dieser Ort lässt ihn schwärmen. Der Eberbacher Cabinetkeller sei der Ursprung der Qualitätsbezeichnung Kabinettwein. Jacob zelebriert die Weinprobe: „zum Wohl“. Das schwarze Kellertuch hängt duldend von der Decke. Kerzen erhellen das sonderbare Pilzgewächs. Der Cabinetkeller – vielleicht ein Vorgeschmack auf die Schatzkammer des Staatsweingutes? Jedenfalls  herrscht hinter den Fässern mit der Aufschrift Steigenberg mehr Schein als Wein: „In den Fässern ist natürlich kein Wein drinnen.“

Kloster Eberbach

Fast 100.000 Besucher kommen jährlich ins Kloster Eberbach bei Eltville. Es ist nicht nur eine der besterhaltenen Klosteranlagen aus dem 12. Jahrhundert. Der Ort gilt nicht zuletzt durch die exzellente Lage im Rheingau als Mekka des Weinanbaus. 1136 gründete Bernhard von Clairvaux die Zisterzienserabtei. Das Kloster überstand Reformation, Bauernkriege und den 30jährigen Krieg. Erst unter Napoleon wurde es 1803 säkularisiert. Seit 1998 gehört das Kloster der Stiftung Kloster Eberbach. Klassische Konzerte, Ausstellungen und die Miete von Räumen bietet die Stiftung als Service an. Besonders Weinfreunde kommen bei den zahlreichen Proben im historischen Ambiente auf ihre Kosten. Zweimal jährlich gibt es im Kloster eine Auktion von Spitzenweinen des Staatsweingutes.
Infos: www.kloster-eberbach.de